Auch der Bieler Gemeinderat fühlt sich bemüssigt, auf den Wagen der Kampagne gegen die Begrenzungsinitiative aufzusteigen, indem er impliziert, eine Annahme der Initiative würde zu einer Kündigung der Bilateralen I führen. Warum das so sein soll, können die Gegner der Begrenzung allerdings bis heute nicht begründen.
Bilaterale
Die Bilateralen I sind seinerzeit von der Schweiz und der EU im gegenseitigen Interesse verhandelt worden. Dass dabei die EU davon weniger profitieren würde als die Schweiz ist wohl kaum wahrscheinlich. Tatsächlich realisierte die Schweiz im Jahr 2018 im Warenhandel mit der EU ein Handelsbilanzdefizit von rund 20 Milliarden https://www.eda.admin.ch/dam/dea/de/documents/faq/schweiz-eu-in-zahlen_de.pdf. Weshalb unter solchen Vorzeichen die EU den gleichberechtigten Zugangs zum europäischen Binnenmarkt künden und sich selber dabei am meisten schaden sollte, bleibt schleierhaft.
Hingegen sind die Folgen der Personenfreizügigkeit für die Schweiz mit bekannten, negativen Folgen verbunden.
1 Million netto
Tatsache ist: Die Schweiz ist ein kleines Land! Tatsache ist auch: Seit der Einführung vor 13 Jahren sind bereits 1 Millionen Menschen in die Schweiz gekommen (darunter netto 650’000 aus EU). Und jedes Jahr kommen im Durchschnitt nochmals 50’000 Menschen – so viel wie in der Stadt Biel leben – allein aus der EU dazu! Im April – also noch während des Corona-bedingten Lockdowns betrug der Zuzug von Ausländerinnen und Ausländern aus dem EU-Raum rund 10’000 Personen, darunter 3’500 zusätzliche Grenzgänger.
Arbeitslosigkeit
Covid-19 hat die Spannungen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt verschärft. Insbesondere die schlechter qualifizierten Arbeitskräfte verloren überdurchschnittlich oft ihre Stelle. Im Juni 2019 waren beispielsweise im Bereich des Gastgewerbes 7’767 Arbeitslose registriert, ein Jahr später (Juni 2020) waren es dann schon mehr als das Doppelte (15’833). Die Anzahl der Arbeitslosen zwischen 15 und 24 Jahren, welche sich noch nicht die notwendigen Qualifikationen aneignen konnten, um auf dem Schweizer Arbeitsmarkt bestehen zu können, erhöhte sich im selben Zeitraum um 77% von 9’762 auf 17’317. Gesamthaft stieg die Anzahl von Arbeitslosen in Hilfsfunktion im gleichen Zeitraum um 56%.
Fachkräfte
Die innovativen Schweizer Unternehmen sind auf gut ausgebildete Fachkräfte angewiesen. Und in gewissen Branchen trifft es tatsächlich zu, dass sich auf dem Schweizer Arbeitsmarkt – trotz heutiger Personenfreizügigkeit – nicht genügend Arbeitskräfte mit der benötigten Ausbildung finden. Doch eine Studie des Zürcher Amts für Wirtschaft und Arbeit zeigt auch, dass von den zwischen 2007 und 2014 in die Schweiz zugewanderten Arbeitskräften im Durchschnitt nicht mal jeder Fünfte (19.8%) in einem Beruf arbeitet, bei dem ein Fachkräftemangel herrscht. Die grosse Mehrheit der Zugewanderten und Grenzgänger arbeitet in Berufen, in denen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt genügend einheimische Bewerber vorhanden wären.
Beispiel: Der Bereich Gastronomie- und Hotelgewerbe macht mit 6’261 Personen, nämlich 9.7%, den weitaus grössten Teil aus. Damit gehört jeder zehnte EU-Ausländer, welcher mit Erwerbsabsicht in die Schweiz kam, just zu jener Berufsgruppe, die mit rund 8.5% bereits eine fast dreimal so hohe Arbeitslosigkeit aufweist als der schweizweite Durchschnitt.
BIP
Zwar setzt die Schweizer Wirtschaft auch wegen dem rasanten Bevölkerungswachstum von Jahr zu Jahr mehr um. Eine im Auftrag des Bundesamtes für Migration (BFM, heute SEM) von der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) erstellte Studie bestätigt dies ebenfalls, kommt dabei aber zum Schluss, dass die Auswirkungen auf das BIP pro Kopf jedoch äusserst gering waren. Eine andere ebenfalls vom KOF erstellte Studie kam zum ähnlichen Resultat, wonach die Personenfreizügigkeit einen schwach positiven Effekt auf das BIP pro Kopf hat. Dieser Effekt ist statistisch nicht signifikant, d. h. er gilt nicht als gesichert. Gleichzeitig steigt aber die Notwendigkeit, massiv in die Infrastruktur (öffentlicher Verkehr, Strassen etc.) zu investieren. Der diesbezügliche Nachholbedarf hat in den letzten Jahren spürbar zugenommen.
Wohnkosten
Die Zunahme der Bevölkerung um eine Million in 13 Jahren führt dazu, dass die Nachfrage nach Wohnraum in der Schweiz wächst. Bis 2001 blieben die Kosten für Wohneigentum konstant oder gingen gar leicht zurück. Zwischen 2006 und 2016 sind diese dagegen nur noch gestiegen, wobei die Immobilienpreise viel stärker stiegen als die Löhne. Für Einfamilienhäuser im Durchschnitt um 3.4% und für Eigentumswohnungen sogar um 3.7% jährlich. Eine Wohnung, die also 2006 beispielsweise für 500’000 Franken zu haben war, kostete 2016 knapp 720’000 Franken. Da es in der Schweiz seit etwa 2005 beim durchschnittlichen Pro-Kopf-Wohnraumverbrauch praktisch keine Zunahme mehr gibt, ist insbesondere das Bevölkerungswachstum der Grund für die ungebrochen steigende Nachfrage nach Wohnraum. Dadurch werden viele Arbeitnehmende gezwungen, lange Pendelstrecken in Kauf zu nehmen. Der Exodus von teuren in günstigere Regionen führt zu einer Fülle von weiteren Problemen, so unter anderem zu einer Verlagerung der Verkehrsprobleme, zu mehr Staus, überfüllten Zügen, zu einer gesteigerten Überbauung von wertvollem Kulturland.
Die Thematik ist wieder einmal im gesellschaftspolitischen Fokus. Ist der Klimawandel menschengemacht? Welches sind die Treiber?
Panikmeldungen aus der Wissenschaft meiner Jugend rund um die Themen saurer Regen, Waldsterben, Verschwinden des Amazonas bewahrheiteten sich nicht. Oder der zum Beispiel bereits früh prognostizierten Temparaturanstieg stellte sich als zu alarmistisch heraus. Das hat mich hellhörig gemacht. Wenn Klimatologen und Klimaaktivisten auf Kritik dünnhäutig, ja oft mit schon mit überzeichnetem religiösem Eifer reagieren – was ist damit verbunden? Treten wir in ein neues Zeitalter des Absolutismus ein mit all seinen Folgen, die wir aus der Geschichte (leider) genügend kennen?
Kürzlich hat sich der Ausschuss des Bundestages für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit mit der Thematik befasst. Das untenstehende Wortprotokoll ist interessant und erhellend.
Vorliegend wurden nur die Statements der beiden anwesenden
Physiker sowie die an sie gestellten Fragen aufgeführt, da diese sich um die
Kernfrage drehten, ob es eine von Menschen gemachte Klimaerwärmung gibt bzw.
wie stark ein solcher Einfluss allenfalls ist.
Eingangsvoten
Prof. Dr. Anders Levermann (PIK):
Als ich fünf Jahre alt war – das ist 40 Jahre her – hat John
Mercer, ein amerikanischer Glaziologe, in Nature eine Reihe von Aussagen über
die Zukunft gemacht. Ich sage Ihnen das deswegen, weil Nature nicht irgendein
Journal ist, sondern ein Wissenschaftsjournal. Man kann dort nicht einfach nur
etwas sagen, weil einem mal danach ist. Er hat gesagt: Wenn wir mit dem
CO2-Ausstoß so weitermachen, dann werden wir die CO2-Konzentration der
Atmosphäre in 50 Jahren verdoppelt haben. Und das machen wir gerade, da sind
wir auf dem Weg. Das stimmt tatsächlich. Das war auch nicht besonders
tiefsinnig von Herrn Mercer, weil das hätte ich auch gekonnt. Das war eine
einfache Extrapolation in die Zukunft. Was er dann aber gesagt hat, ist – dass
die Eisschelfe an der Antarktischen Halbinsel zerbersten werden und zwar
aufgrund der Erwärmung, die wir daraufhin bekommen werden. Das ist passiert:
2002 war das Larsen-B-Eisschelf das erste, was es auf die Titelseite der New
York Times geschafft hat, weil es eben innerhalb von 14 Tagen in der Größe des
Saarlandes kleinteilig zerbrochen ist. Eigentlich ging das Paper aber darum,
dass er sagte: Und dann wird aufgrund der Erwärmung die Westantarktis instabil.
Und das ist jetzt passiert.
2014 sind drei Studien herausgekommen, zwei davon am
gleichen Montag, die alle gesagt haben: Die Erwärmung hat jetzt dazu geführt,
dass die Westantarktis instabil geworden ist und jetzt die gesamte Eismenge,
die dort lagert, in den Ozean fließt, d. h. 3,5 Meter Meeresspiegelanstieg auf
lange Sicht. Ich sage Ihnen das deswegen, weil es zu der ersten Aussage auf
meiner Folie passt: In Physics we trust. Herr Mercer hatte damals weder
Computer, noch hatte er Satellitenmessungen der Antarktis, sondern er hatte nur
die Physik. Diese Physik sagt uns, dass wir Klimawandel bekommen, wenn wir CO2
in die Atmosphäre bringen. Wir wissen, was die Emissions- und
Absorptionsspektren sind von den Molekülen CO2, Methan, Lachgas. Dann brauchen
Sie nur noch Herrn Planck und Herrn Boltzmann, wie Sie auf der zweiten Folie
sehen – nämlich die Quantenmechanik, die Physik, die uns bei den Computern
hilft und bei den Autos und bei den Flugzeugen und überall. Dann wissen Sie
sofort – Sie kriegen 3 Grad Erwärmung für eine Verdoppelung des CO2; keine
Computerprogramme, keine Beobachtungen, sondern einfach nur die Physik, die wir
seit 150 Jahren kennen. Das führt dann zu einer Erwärmung, die wir auch sehen
und die wir auch beobachten.
Entscheidend ist jetzt aber, dass wir dadurch
Klimaveränderungen kriegen, die langsam passieren, an die wir uns anpassen
können – Meeresspiegelanstieg, Veränderung der Temperaturen weltweit,
aber vor allen Dingen die Wetterextreme. Im letzten Dezember
war die Ostküste Amerikas plötzlich unter einer riesigen Schneedecke bedeckt,
alles ist zum Erliegen gekommen. Das war ein Mäandern des Jetstreams. Einen
Monat später ist in Sibirien, wo niemand wohnt, keiner hat es mitgekriegt, in
fünf Tagen die Temperatur um 55 Grad angestiegen – in fünf Tagen um 55 Grad,
auch ein Mäandern des Jetstreams. Einen Monat später im Februar war Berlin 10
Grad kälter als der Nordpol. Der Nordpol hatte seit drei Monaten keinen
Lichtstrahl gesehen und war trotzdem wärmer am Schmelzpunkt.
Wenn wir die Temperatur des Planeten überhaupt stabilisieren
wollen, dann müssen wir auf NullEmissionen. Klimaforscher stellen keine
Forderungen auf – das ist mir sehr wichtig. Ich stelle keine politischen
Forderungen. Die politische Forderung ist in Paris gestellt worden, nämlich:
Wir wollen die Temperatur stabilisieren und wir wollen sie bei 2 Grad
stabilisieren. Das bedeutet, wir müssen bis 2050 auf Null-Emissionen. Und
danach müssen alle Maßnahmen beurteilt werden, die Sie hier beschließen.
Prof. Nir Shaviv (Hebräische Universität Jerusalem, Racah Institut für Physik):
Lassen Sie mich zunächst sagen, dass es mir eine große Ehre ist, zu Ihnen sprechen zu dürfen. Drei Minuten sind nicht viel Zeit. Ich fasse mich also kurz. Ich beginne mit einer Aussage, die Sie schockieren könnte.
Es gibt keine Belege dafür, dass CO2 große Auswirkungen auf das Klima hat. Für sogenannte Beweise dafür, dass menschliche Aktivitäten der Hauptgrund für die globale Klimaerwärmung sind, nutzt das IPCC[1] zwei Argumente.
A: Mit Blick auf die Entwicklung im 20. Jahrhundert gibt es nichts weiter zu erklären. Und
B: Die Klimaerwärmung im 20. Jahrhundert ist beispiellos.
Diese Argumente sind verfehlt. Und Sie werden sich fragen,
warum? Durch die gestohlenen E-Mails von
Klimaforschern wissen wir etwa, dass das HockeyschlägerDiagramm ein Beispiel
für fragwürdige Wissenschaft war. Die mittelalterliche Warmzeit gab es
tatsächlich, und die Kleine Eiszeit gab es ebenfalls tatsächlich und weltweit.
Auch wenn das IPCC dies nicht zugeben will: Wir wissen, dass die Sonne große
Auswirkungen auf das Klima hat, und zwar insbesondere auf die Klimaerwärmung im
20. Jahrhundert.
Wenn Sie sich das erste Diagramm in der Präsentation
ansehen, blicken Sie auf eine Folie, die wahrscheinlich eines der wichtigsten
Diagramme ist, die der IPCC schlicht ignoriert. Was Sie diesem 2008
veröffentlichten Diagramm entnehmen können, ist eine überaus deutliche
Korrelation zwischen dem Meeresspiegel oder der Änderungsrate des
Meeresspiegels einerseits und der Sonnenaktivität andererseits. Hier sehen Sie
den Stand des Sonnenzyklus. Sie erkennen, dass der Ozeanspiegel mit der
Sonnenaktivität ansteigt und dass der Meeresspiegel mit abnehmender
Sonnenaktivität sinkt. Dies belegt – über jeden Zweifel erhaben –, dass die
Sonne einen großen Einfluss auf das Klima hat. Viel, viel größer als der IPCC
bereit ist zuzugeben. Was bedeutet dies?
Wenn wir uns das zweite Diagramm anschauen, können Sie die
Veränderungen des Strahlungsantriebs sehen (dies entstammt dem 5.
Sachstandsbericht des IPCC).
Und in der unteren Leiste sehen Sie eine kleine Zahl. Dies
ist der Beitrag, den der IPCC der Sonne zuschreibt. Und die große Zahl entspricht dem
Beitrag zur Erwärmung durch die Sonne entsprechend dem, was wir an den Ozeanen
feststellen. Der Umstand, dass der Meeresspiegel stets bei erhöhter Sonnenaktivität
ansteigt, zeigt uns, dass die Sonne einen großen Einfluss hat. Man erkennt,
dass der solare Beitrag im Laufe des 20. Jahrhunderts noch größer ist oder
zumindest dem vergleichbar ist, was auf den CO2Gehalt der Atmosphäre
zurückgeht. Wir wissen, dass die Sonne einen großen Einfluss auf das Klima hat.
Und alle Versuche, die Klimaerwärmung im 20. Jahrhundert ohne Berücksichtigung
des solaren Beitrags zum Strahlungsantrieb zu erklären, sind verfehlt. Es zeigt
sich also, dass mehr als die Hälfte der globalen Erwärmung auf die Sonne
zurückgeht und das Klimasystem somit weitaus weniger empfindlich sein muss als
der IPCC uns mitteilt. Um wie viel? Nur 1 bis 1,5 Grad Anstieg pro
CO2-Verdoppelung im Vergleich zu den 1,5 bis 4,5 Grad, die Sie in den IPCC-Berichten
lesen. Dies bedeutet, dass die Erwärmung – ohne dass wir etwas Besonderes tun –
im Laufe des 21. Jahrhunderts um ein weiteres Grad zunehmen wird. Ohne unser
Zutun werden wir also die Ziele von Kopenhagen und Paris erreichen.
Die Tatsache, dass die Temperaturen im Laufe des 20.
Jahrhunderts deutlich weniger stark angestiegen sind als von den IPCC-Modellen
vorhergesagt, sollte als deutlicher Hinweis dafür gesehen werden, dass mit dem
Standardmodell (des Klimarates* bf) etwas nicht in Ordnung ist. Auch sollte ich
an dieser Stelle erwähnen, dass Wissenschaft keine Demokratie ist. Die Mehrheit
hat hier nicht unbedingt Recht. Ferner sollten wir vorsichtig sein und
unterscheiden zwischen Belegen für die Erwärmung, die wir erleben, einerseits
und Belegen für eine durch Menschen verursachte Erwärmung andererseits. Für
Letzteres haben wir keine Beweise. Manche Leute werden Sie jetzt mit sekundären
Klimaeffekten im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung erschrecken. Dazu
gehören der Anstieg des Meeresspiegels, Ereignisse auf Reisfeldern, Dürren,
Überschwemmungen oder wirtschaftliche Auswirkungen. Wenn aber das
zugrundeliegende Klimamodell grundlegend falsch ist, weil es die Auswirkungen
von CO2 überschätzt, dann sind alle daraus resultierenden Vorhersagen irrelevant.
Lassen Sie mich abschließend sagen, dass die Angst vor der globalen Erwärmung,
und damit die Verurteilung abweichender Ansichten, bereits Teil unseres
Zeitgeistes ist. Statt jedoch blind dem Strom zu folgen, sollten wir einen
Moment innehalten und nachdenken, bevor wir einen derart großen Teil unserer
kostbaren öffentlichen Ressourcen verschwenden. Vielleicht finden wir heraus,
dass der Kaiser neue Kleider anhat.
Fragen der
Abgeordneten an die Professoren
Abg. Dr. Nina Scheer (SPD):
Herr Prof. Levermann, Sie hatten ja auch hervorgehoben, dass
es um die Null-Emissionen gehen muss. Ich denke, Deutschland kommt da auch eine
sehr wichtige Vorbildfunktion zu – als Industrienation ganz klar und
unmissverständlich den Weg der Energiewende insoweit voranzuschreiten und auch
die anderen Sektoren in den Blick zu nehmen, um eben diesen Wandel auch als
Industrienation darzustellen. Soweit vorab ein Statement.
Meine Frage jetzt aber an Sie: Inwieweit halten Sie eine
sektorspezifische politische Rahmensetzung für förderlich? Diese Null-Emission
bis 2050, heißt das vielleicht auch so viel Minderung in jedem Sektor wie nur
möglich?
Wenn dann noch Zeit verbleibt, weil Sie ja als Physiker auch
unterwegs sind, wäre mir auch sehr daran gelegen, wenn Sie noch einmal kurz auf
Ihren Nachbarkollegen eingehen könnten und wie Sie zu den Äußerungen stehen,
die Herr Prof. Shaviv vorgetragen hat.
Prof. Dr. Anders Levermann (PIK):
Die Null-Emissionen sind tatsächlich eine sehr, sehr harte
Zahl, weil wir tatsächlich nur die Temperatur stabilisieren können, wenn wir
auf Null-Emissionen kommen – und das ist so fest, wie nur irgendetwas. Weil die
CO2-Moleküle, also wenn Sie zwei in die Atmosphäre bringen, dann wird eins
sofort im Ozean gelöst und erzeugt dort Kohlensäure, das ist schlecht für die
Umwelt dort, und das andere bleibt für Jahrhunderte bis Jahrtausende in der
Atmosphäre und erhöht die Temperatur des Planeten. Diese Null-Emissionen sagen
Ihnen eigentlich schon alles, was Sie wissen müssen. Wenn Sie dann noch die 2
Grad dazu nehmen, sagt es Ihnen, wann Sie auf Null kommen müssen. Die
NullEmissionen sagen Ihnen, Sie brauchen einen Strukturwandel, d. h. erst
einmal aus der Kohle heraus. Die Leute reden immer erst einmal über Autos, wenn
ich auf eine Party komme. Ich sage: Ich bin Klimaforscher. Alle antworten: Ich
fahre auch schon viel weniger Auto. Mit weniger funktioniert es nicht.
Wir müssen überall die Strukturen so setzen, dass wir auf
Null kommen. Und das müssen wir tatsächlich in allen Sektoren machen. Ich denke
immer, wir geben ein Geschenk an die Wirtschaft, indem wir eine multidekadische
Vorhersage haben. Wann bekommen Sie das schon einmal, dass Ihnen jemand sagt,
in 30 Jahren muss irgendetwas ganz Großes verändert werden? Denn das ist ja ein
Innovations-Demand, der enorm ist. Alles, was Herr Prof. Shaviv gesagt hat, ist
Quatsch – es tut mir total leid, so einfach muss ich das sagen. Wir sind lange
darüber hinweg und ich bin froh, dass wir heute über die Lösung des
Klimaproblems reden und nicht mehr darüber, ob es Klimawandel gibt. Ich kenne
Herrn Prof. Shaviv schon seit 10 Jahren, ich habe meinen Doktor im
WeizmannInstitut für Wissenschaften in Israel gemacht – wir sind lange darüber
hinweg, wir brauchen da einfach nicht mehr drüber reden.
Abg. Dr. Heiko Wildberg (AfD):
Herr Prof. Shaviv, zunächst eine Frage zur Begrenzung der
Temperaturerhöhung auf maximal 2, besser 1,5 Grad, wie es in der Pariser
Klimaübereinkunft festgelegt wurde. Wenn ich eine Temperaturerhöhung von x Grad
festlege und begrenzen möchte, muss ich natürlich auch wissen, von welcher
Bezugstemperatur ich ausgehe. Und im Pariser Übereinkommen ist diese
Bezugstemperatur nie quantifiziert. Es ist immer nur die Rede von
vorindustriellen Zeiten, in denen eine solche Temperatur geherrscht haben soll.
Und ob ich jetzt nun Befürworter einer anthropogen gemachten Klimahypothese bin
oder auch ein Skeptiker, wenn ich eine Temperaturerhöhung um eine gewisse
Gradzahl erreichen möchte und eine Begrenzung, dann muss ich ja wissen, von
welcher Bezugstemperatur ich ausgehe. Ich hätte gern gewusst, wie hoch diese
Bezugstemperatur ist, was dort die Klimaforschung vorschlägt? Und ich hätte
auch gern gewusst, wann diese genau aufgetreten ist? Und warum diese gewählt
wurde? Es ist ja eine ganze Reihe von vorindustriellen globalen
Durchschnittstemperaturen bekannt – und dann würde ich Sie bitten, auch noch
kurz auf die Äußerungen Ihres Vorredners einzugehen. Danke.
Prof. Nir Shaviv (Hebräische Universität Jerusalem, Racah Institut für Physik):
Lassen Sie mich zunächst auf die Bemerkungen meines Kollegen
eingehen, wonach es alles Unsinn ist. Wie ich Ihnen zeigte, gibt es ein
Diagramm, das vom IPCC und von Leuten wie meinen Kollegen schlicht ignoriert
wird –, das aber zeigt, dass die Sonne große Auswirkungen auf das Klima hat.
Nach der Veröffentlichung dieser Forschungsarbeit im Jahr 2008 zeigten weitere
Forschungen auf der Grundlage von Satellitenbildern genau das Gleiche: dass die
Sonne einen beträchtlichen Einfluss auf das Klima hat. Solange also der IPCC
und Personen wie mein geschätzter Kollege hier nicht die Tatsache
berücksichtigen, dass die Sonne einen großen Einfluss auf die Klimamodelle hat,
werden diese Klimamodelle fehlerhaft sein. Und alle Vorhersagen, die auf der
Grundlage dieser Klimamodelle getroffen werden, werden schlicht falsch sein. Da
die Sonne einen großen Einfluss auf das Klima hat, gibt es auch über längere
Zeiträume hinweg große Temperaturschwankungen, z. B. die Kleine Eiszeit oder
die mittelalterliche Warmzeitperiode. Dies könnte eine Antwort auf Ihre Frage
sein. Beispielsweise könnten wir die heutigen Temperaturen mit den Temperaturen
im Hochmittelalter vergleichen, als sie wahrscheinlich fast so hoch waren wie
heute – oder vielleicht während einiger Zeitabschnitte so hoch waren. In dieser
Hinsicht ist es also etwas problematisch.
Die heute verwendeten Klimamodelle sind wesentlich darauf
ausgerichtet, zu erklären, was sich im 20. Jahrhundert ereignet hat. Und wenn
man relevante Strahlungsantriebe ausschließt, erhält man Modelle, die auf
signifikante Weise überempfindlich sind. Wenn man in die IPCC-Berichte
hineinschaut und auf diese Bandbreite von 1,5 bis 4,5 Grad stößt, dann stellt
man nach Milliarden investierter Dollar oder Euro fest, dass wir nicht wissen –
oder dass zumindest die Gemeinschaft der Klimaforscher als Ganzes nicht weiß –,
was die Klimasensitivität ist. Und dies geht bis auf das Climate Committee 1979
in den USA zurück. Die Modelle sind somit fehlerhaft und ich könnte hier die
gleichen Wörter gebrauchen, die mein Kollege benutzte. Aber das werde ich nicht
tun.
Abg. Lisa Badum (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
An Herrn Levermann: Sie haben ja die Herausforderung
skizziert, vor der wir stehen und gestern kam ja der Emissions Gap Report der
UN auch heraus, in dem es hieß: Wir haben noch nie so viel CO2 ausgestoßen wie
2017. Angesichts dieser gewaltigen Herausforderung – welchen Beitrag kann die
Klimakonferenz leisten? Welche Rolle kann sie spielen – muss sie spielen?
Prof. Dr. Anders Levermann (PIK):
Seit ich diese Vorträge halte, seit ich in der
Klimaforschung bin, wird mir von Industrieseite gesagt und zu Recht gesagt,
genauso wie auch von anderen gesellschaftlichen Seiten: Wir brauchen
Planungssicherheit. Und das ist das, worum es jetzt in Kattowitz geht. Es geht
darum, dass wir den Weg weitergehen und dass es klar wird, dass wir nicht
umdrehen. Das ist wie gesagt keine Forderung, die ich stelle – als
Klimaforscher stelle ich keine Forderung –, das ist mir sehr, sehr wichtig. Ich
sage Ihnen nur, was wir machen müssen, wenn Sie das erreichen wollen, was die
Staatengemeinschaft, was die Politik, was die Gesellschaft verlangt. D. h., wir
müssen jetzt auf dem Kurs bleiben und müssen uns hier auch nicht nur auf
kurzfristige CO2-Emissionsreduktionen fokussieren, sondern müssen auf lange
Sicht Null-Emissionen im Blick haben. D. h., es geht nicht so sehr darum, dass
die kurzfristigen Ziele mit allen Mitteln eingehalten werden, wenn sie dem
Strukturwandel widersprechen. Es geht darum, die Strukturen so zu verändern,
dass wir in 30 Jahren auf Null sind, darum geht es.
Abg. Klaus Mindrup (SPD):
Prof. Levermann, Sie haben zurecht gesagt und gefordert,
dass ein Milliarden-Business beendet werden muss: nämlich die Gewinnung und
Verbrennung von Fossilen – Erdöl, Kohle und Erdgas. Es gibt jetzt viele
Unternehmen, die das akzeptieren und den Weg der Transformationen gehen. Der
BDI hat sich ja damit auch auseinandergesetzt und ist da, denke ich, auf einem
guten Weg. Es gibt andere, die tun das nicht, die wollen von den Folgen des
Klimawandels sogar profitieren, indem sie z. B. Rohstoffgewinnung machen in
Bereichen, in denen dies im Augenblick aufgrund der klimatischen Verhältnisse
nicht möglich ist – in arktischen Bereichen. Genau in dieser Situation, wo es
hier doch heftige Konflikte gibt, sind sowohl das PIK als auch das IPCC
massiven Denunziationen ausgesetzt.
Ich möchte Sie bitten, dass Sie hier die Chance wahrnehmen,
etwas zu der Arbeitsweise des IPCC zu sagen, zu der Qualifikation ihrer
Wissenschaftler und zur Qualitätskontrolle, die dort stattfindet. Denn manchmal
hat man den Eindruck, dass so getan wird, als würden Sie da einfach nur
erfinderisch tätig sein.
Prof. Dr. Anders Levermann (PIK):
Das mache ich gerne, auch wenn ich es schade finde, dass ich
es machen muss. Was in Deutschland immer der Weltklimarat genannt wird, das ist
der Intergovernmental Panel on Climate Change, bei dem ich beim letzten
Sachstandsbericht dabei war und jetzt im nächsten auch wieder dabei bin. Das
ist kein Gremium, das sich irgendwann einmal in einem dunklen Raum trifft,
sondern das sind Klimaforscher aus allen Ländern, die durch einen
Auswahlprozess gehen, der sich national ergibt. Erst einmal schickt man eine Bewerbung
an einen nationalen focal point. Das ist bei uns das Bundesministerium für
Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Dann werden die Bewerbungen, die
valide sind – d. h. man schaut, ist man wirklich ein Klimaforscher – an das
Büro des IPCC weitergereicht, das ist eine UN-Institution. Dort wird dann ein
Autorenteam zusammengestellt. Wir schreiben immer drei Bücher alle vier Jahre.
Bei dem ersten Buch „Die Grundlagen des Klimawandels“ sind wir über 200
Autoren, in jedem Kapitel über 20 – das sind wahrscheinlich doch eher 300/400
Autoren. Wir treffen uns dann regelmäßig über einen Zeitraum von 3/4 Jahren, um
diesen Bericht zu verfassen, arbeiten viel per E-Mail.
Das Entscheidende ist aber, dass dieser Bericht nicht in
irgendeiner Form von Politikern korrigiert wird. Es ist ausschließlich ein
wissenschaftlicher Prozess. Ich behaupte mal, es ist der meistbegutachteste
Prozess in der Wissenschaft, den es überhaupt gibt, denn wir schreiben
sozusagen einen Nullten Order Draft. Dieser geht dann erst einmal an
befreundete Wissenschaftler, die sagen: Das fehlt, das fehlt nicht, das ist
Zuviel. Dann kommt ein First Order Draft, der geht an alle Wissenschaftler der
Welt, die sich dort einschreiben und Kommentare machen können. Wir müssen alle
diese Kommentare beantworten und diese Antworten werden alle im Internet
veröffentlicht, nachdem der Bericht rausgegangen ist.
Dann kommt eine dritte Stufe, wo sich quasi jeder mit einer
E-Mail-Adresse auf der Erde einschreiben kann. Also jeder, der nicht ein
Roboter ist, kann Fragen stellen und wir müssen diese wieder beantworten. Ich
sage Ihnen das einmal als Beispiel: Wir bekommen pro Kapitel gelegentlich bis
zu 10 000 Fragen, die wir alle beantworten und die Sie nachlesen können, jetzt
für die letzten Berichte. Alles geht durch diesen Prozess. Wir können auch
nicht einfach sagen, das ist Quatsch oder das geht nicht, sondern wir müssen
sagen, warum das nicht geht oder warum es geht. Am Ende dieses Prozesses ist
der Bericht fertig. Zwischendurch dürfen die Regierungen – genauso wie der Rest
der Welt – auch Fragen stellen und wir müssen sie beantworten. Aber es ist ein
wissenschaftliches Produkt, das beste oder stärkste PeerReview-Produkt der
Welt.
Dann wird eine Zusammenfassung geschrieben – 2 000 Seiten
pro Buch. Damit mehr Leute diese Ergebnisse lesen können, machen wir eine
Zusammenfassung. Diese Zusammenfassung wird dann tatsächlich von allen
Regierungen der Welt gelesen und auch besprochen – Satz für Satz. Aber auch da
gilt wieder, dass nicht ein Land sagen kann: Ich möchte jetzt aber das und das
darin stehen haben. Es geht nur auf der Grundlage des 2 000 Seiten-Berichtes,
dass irgendetwas in der Summary for Policymakers verändert wird. Das Ding steht
wirklich fest im Raum. Es steht auf den Schultern von Max Planck und Ludwig
Boltzmann und nicht von irgendwelchen anderen Leuten. Stefan-Boltzmann heißt
das Gesetz – das waren zwei Wissenschaftler.
Abg. Dr. Rainer Kraft (AfD):
Interessant ist natürlich zu schauen – nach dem Motto Follow
the Money, wer die Hauptprofiteure des Klima-Dogmas sind, welche Institutionen
und NGOs.
Unruhe im Saal
Herr Prof. Shaviv, es werden immer sehr oft kurzfristige
Ergebnisse, wie Trockenheiten, Dürren, aber auch das genaue Gegenteil, wie
Kälten oder auch die Absenz von Extremen, sehr häufig als Argument für die
Existenz des menschengemachten Klimawandels hergenommen. Inwiefern ist das
zutreffend? Respektive, inwiefern ist das nicht so ganz zutreffend?
Zweite Frage: Wie oft ist die Häufigkeit dieser Phänomene
auch in Bezug auf die heutigen Informationstechniken zu betrachten? Und wenn
wir auf den Punkt von den 97 Prozent kommen: Ist es nicht so, dass vor 40
Jahren ungefähr 97 Prozent der Wissenschaftler der Meinung waren, dass wir auf
eine Eiszeit zusteuern?
Falls noch Zeit wäre, würde ich gerne Herrn Prof. Levermann
fragen: Was ist denn nun die vorindustrielle Durchschnittstemperatur, auf die
sich die +1, +1,5 oder +2 Grad denn exakt beziehen?
Prof. Nir Shaviv (Hebräische Universität Jerusalem, Racah Institut für Physik):
Lassen Sie mich zunächst auf Stefan Boltzmann eingehen. Laut
dem Stefan-Boltzmann-Gesetz wird die Temperatur bei einer Verdoppelung der
CO2-Menge um 1,2 Grad ansteigen. Alles andere ist weitere Physik, die wir nicht
besonders gut verstehen.
Was nun kurzfristig auftretende Ereignisse betrifft: Die
ganze Zeit über passiert irgendetwas, und natürlich haben wir ein ausgeprägtes
Kurzzeitgedächtnis. Aber viele dieser Ereignisse sind für die globale Erwärmung
nicht einmal relevant oder jedenfalls nicht notwendigerweise relevant. Die
Flächenbrände, wie wir sie in Kalifornien gesehen haben, sind auf östliche
Winde zurückzuführen. Die Sommer sind dort jedes Jahr sehr trocken – daraus
resultieren eben Flächenbrände. Den meisten Flächenbränden liegen
Brandstiftungen oder Stromleitungen zugrunde oder Dinge, die mit menschlichen
Aktivitäten in Zusammenhang stehen. Ganz offenkundig wird es mehr derartige
Brände geben, wenn es mehr Menschen gibt.
Was die 97 Prozent angeht – so ist Wissenschaft keine Demokratie,
wie ich früher bereits bemerkte. Wissenschaft hat es immer schon gegeben und
die Leute dachten zum Beispiel, dass es so etwas wie Kontinentaldrift nicht
gibt. Und nur eine Person sagte etwas Gegenteiliges. Wissenschaft ist keine
Demokratie – und mich kümmert es nicht, wenn 97 Prozent aller Menschen glauben,
dass die Erde eine Scheibe ist. Hierdurch wird diese Behauptung nicht „wahrer“.
Worauf es ankommt, ist, die Wissenschaft in den Blick zu nehmen und sich die
Befunde anzusehen und solche Befunde nicht zu ignorieren, die für das
Standardmodell unbequem sind. Und es gilt, auch andere Dinge zu
berücksichtigen, wie den Umstand, dass die Temperatur in den letzten 20 Jahren
tatsächlich deutlich weniger stark angestiegen ist als von den IPCCModellen vorhergesagt
wurde. Dies sollte uns aufmerken lassen.
Prof. Dr. Anders Levermann (PIK):
Wir ignorieren natürlich nicht, dass die Sonne einen
Einfluss auf die Temperatur des Planeten hat. Das ist selbstverständlich in den
Modellen mit drin. Die Temperatur hat sich erwärmt, gerade in den letzten
Jahren um 0,2 Grad – innerhalb kürzester Zeit. Wir haben alle diese Aspekte
drin, wir haben alle Skeptiker-Argumente beiseite geräumt. Wir machen das die
ganze Zeit, ich mache das seit 15/16 Jahren, andere Kollegen machen das noch
länger. Wir
suchen, wir suchen, wir suchen danach – nach dem Grund, warum es nicht zu einer
Katastrophe kommt. (Hervorhebung bf) Es
wird einfach nicht so sein. Wir wissen es sehr, sehr sicher und wir wissen es
auch schon mit der Physik von 100/110 Jahren zuvor.
Die angefragte Temperatur ist die mittlere Temperatur um
1850, die wissen wir relativ genau. Sie ist im Bereich von 15 Grad. Aber es
geht tatsächlich um die Änderung, denn das ist das Entscheidende. Wir können
natürlich die Änderungen auch in Bezug auf die Eiszeit sehen, usw. Alle diese
Dinge, die Sie gerne anbringen, sind aber Korrelationen und keine
Verständnissachen. Ich habe damit die Frage beantwortet.
Wenn ich diesen Kugelschreiber loslasse, fällt er herunter –
und das ist die Gravitation, und genauso fest im Raum steht die Thermodynamik,
und genauso fest im Raum steht die Quantenmechanik, die dieses Handy möglich
macht, die unsere Autos möglich macht. Und die sagen uns: CO2 erhöht die
Temperatur des Planeten.
Das war übrigens selbstverständlich nicht das
Stefan-Boltzmann-Gesetz, was Sie da gesagt haben, Herr Prof. Shaviv, das ist
wirklich fundamental alles ein Mist, was Sie hier geredet haben. Es tut mir
wirklich leid.
Wir wissen aus den Emissions- und Absorptionsspektren tatsächlich,
dass wir 1,1 Grad Erwärmung bekommen für eine Verdoppelung des CO2. Dann
bekommen wir aber mehr Wasserdampf in die Atmosphäre, das wissen wir seit
Ludwig Boltzmann. Das weiß auch jeder,
der mit einer Brille im Winter nach draußen geht, wenn die beschlägt: Das ist
nämlich das Gesetz von Clausius Clapeyron, 1843. Wir wissen, dass eine wärmere
Atmosphäre mehr Wasserdampf hält, Wasserdampf ist wieder ein Treibhausgas. Wir
kennen die Emissions- und Absorptionsspektren. Da sind wir wieder bei der Quantenmechanik.
Und zack sind Sie bei 3 Grad Erwärmung für eine Verdoppelung des CO2.
Das ist die Klimasensitivität, die im Zentrum der Berichte
steht, um die wir aber eine Unsicherheit erlauben, trotzdem steht die
felsenfest im Raum. Ich habe die Frage beantwortet.
Abg. Dr. Nina Scheer (SPD):
Ja, auch wenn es aus verständlichen Gründen sehr schwer
fällt auf die – ja ich sag jetzt mal, nehme ich mir heraus – fake news von
Seiten der AfD einzugehen. Ich erlebe doch, dass es immer wieder bei uns ein
Thema ist, wenn wir Klimaschutzdebatten haben im Bundestag, dass einfach Dinge
infrage gestellt werden, die die Öffentlichkeit – glaube ich – mehr als
verwirren. Und deswegen ist es – glaube ich – auch wichtig, wenn fachkundig
aufgeräumt wird mit diesen Behauptungen. Insofern wäre ich Ihnen sehr dankbar,
Herr Prof. Levermann, wenn Sie einfach nur an wenigen Beispielen mal
exemplarisch herausgreifen können – weil für die Gesamtheit fehlt ja hier die
Zeit –, aber exemplarisch rausgreifen können, woran macht sich das fest, dass
diese Haltung, die Leugnung, die dahinter steckt, nicht haltbar ist?
Prof. Dr. Anders Levermann (PIK):
Ja, wie gesagt, ich war so froh, dass wir anfangen über die
Lösungen zu sprechen. Jetzt tun wir es nicht mehr und es ist auch meine Rolle
hier und das sehe ich auch ein. Ich würde auch viel lieber über CO2-Bepreisung
sprechen – muss ich Ihnen sagen. Es ist wie folgt: Ich kann das zusammenfassen.
Also, es gibt eine große Palette von Angriffen auf den Fakt, dass CO2 die
Temperatur des Planeten signifikant erhöht. Wie man die zusammenfassen kann?
Das sind immer in irgendeiner Form Korrelationen. Und zwar, das bedeutet, etwas
trifft mit etwas anderem zusammen. Also, z. B. heißt Grönland Grönland, weil es
grün war und Erik, der Wikinger, da schon mal war. Nun war Erik, der Wikinger,
da vor tausend Jahren, plus minus. Damals hatte Grönland genauso ein Eisschild wie
jetzt, weil dieser Eisschild ist 3 km hoch und der verschwindet nicht innerhalb
von tausend Jahren. Das wird er auch in der Zukunft nicht tun und hat er auch
in der Vergangenheit nicht getan. Da gibt es halt so eine kleine, grüne Kante
am Rand und da kann man auch tatsächlich Grünes finden auf Grönland. Das ist so
ein Beispiel, wo einfach irgendein Ort, irgendein Ereignis, irgendetwas Kleines
hergenommen wird und gesagt wird: Deswegen kann das ja alles gar nicht stimmen
– Klimawandel gab es schon immer. Es gibt diese Sachen: Klimawandel gab es
schon immer – es ist nicht menschengemacht – es wird nicht so schlimm. Alle
diese Argumente basieren immer auf solchen Korrelationen. Ich sag Ihnen etwas
über Korrelationen, das kennen Sie alle, aber nur, weil jeder, der
heroinabhängig ist, irgendwann mal in seiner Kindheit Milch getrunken hat, ist
Milch keine Einstiegsdroge für Heroin. Das ist eine Korrelation. Und diese
Korrelation, die würden wir niemals benutzen, um zu sagen: Klimawandel gibt es,
weil es gibt eine Korrelation in der Vergangenheit. Das tun die sogenannten
Skeptiker oder Verneiner. Wir – und deswegen habe ich das heute immer wieder
gesagt – verstehen Klimawandel. Wir verstehen, was das CO2-Molekül, was das
Methanmolekül, was die mit Licht machen. Wir wissen, was die für Emissions- und
Absorptionsspektren haben und deswegen wissen wir: – und das ist vor 100 Jahren
schon ausgerechnet worden, das war die Zahl, die Herr Prof. Shaviv einmal kurz
erwähnt hat – 1,1 Grad Erwärmung bekommen Sie, wenn Sie nur diesen radiativen
Effekt hereinnehmen. Dann kommt aber die Thermodynamik. Und die Thermodynamik
steht genau so fest wie die Quantenmechanik im Raum und sagt Ihnen: Eine
wärmere Atmosphäre kann mehr Wasserdampf halten. Und dann müssen Sie wieder das
Wassermolekül hernehmen und da wissen Sie wieder die Emissions- und
Absorptionsspektren. Und dann wissen Sie, dieses Grad Erwärmung – und das ist die
Clausius-Clapeyron-Gleichung – bringt Ihnen so und so viel mehr Wasserdampf in
die Atmosphäre und das bringt Ihnen noch mal etwa 2 Grad Erwärmung. Und dann
haben Sie diese 3 Grad globale Erwärmung und da kommen Sie nicht drum herum. Da
können Sie tausend Mal nach Grönland fahren, da können Sie in die Antarktis
fahren und irgendwelche Korrelationen hernehmen. Zum Beispiel wie Herr Prof.
Shaviv das gemacht hat auf einen Zeitraum von rund 500 Millionen Jahren mit
einer Zeitauflösung von 1 Million Jahre – einfach mal über alle Eiszeiten
hinüber gesprungen. Sie können das Alles hernehmen. Das sind die Argumente, die
immer wieder genommen werden, die im Internet kursieren und die alle Leute
gerne aufsaugen, die das Ganze nicht glauben wollen. Aber der Klimawandel ist
so felsenfest, wie das ist, dass dieses Handy herunterfällt, wenn ich es
loslassen würde. So fest steht das im Raum – weil das ist Quantenmechanik und
Thermodynamik.
Abg. Karsten Hilse (AfD):
Herr Professor Shaviv, Herr Abg. Beutin ist ja auf Ihr
Diagramm eingegangen. Ich gehe davon aus, dass Ihr Diagramm eigentlich nur
einen Zusammenhang bzw. Ursache-Wirkung-Prinzip zwischen solaren Aktivitäten
und dem Meeresspiegel zeigen sollte. Ich gehe davon aus, dass Sie ganz kurz
nochmal darauf eingehen – auch, warum das gerade im Jahr 2000 endet.
Ich würde Sie bitten, dann nochmal kurz darauf einzugehen.
Herr Prof. Levermann hat gesagt, die vorindustrielle Zeit wäre 15 Grad gewesen.
Nun erinnere ich daran, dass 2016 die WMO (Weltorganisation für Meteorologie),
die NASA (National Aeronautics and Space Administration) und die NOAA (National
Oceanic Atmospheric Administration) angegeben haben, dass 14,8 Grad die
mittlere Temperatur war im Jahre 2016 – und beschrieben als höchste jemals
gemessene Temperatur. Und wenn das so wäre und sie Recht hätten, Herr
Levermann, dann wäre die Temperatur um 0,2 Grad gefallen. Herr Prof. Shaviv, es
wäre schön, wenn Sie darauf mal kurz eingehen.
Prof. Nir Shaviv (Hebräische Universität Jerusalem, Racah Institut für Physik):
Lassen Sie mich versuchen, auf die Kommentare einzugehen.
Zunächst zum Diagramm selbst: Zwar endet es tatsächlich im Jahr 2000 – aber
dies liegt daran, dass die Daten, die zum Zeitpunkt der Durchführung dieser
Untersuchung verfügbar waren, die mehr als ein Jahrzehnt zurückliegt, bis dahin
galten. Seitdem gab es eine Fortsetzung mit Satellitenaufnahmen, die noch
bessere Daten liefern. Satellitenaufnahmen zeigen Ihnen genau den gleichen
Sachverhalt: Sie sehen, dass der Meeresspiegel mit der Sonnenaktivität steigt
und sinkt. Es stimmt, dass die durchschnittliche Meeresspiegelanstiegsrate über
Null liegt, und zwar deshalb, weil der Meeresspiegel steigt. Teils deswegen,
weil sich die Erde erwärmt hat, teils wegen der Sonne und teilweise aufgrund
menschlicher Aktivitäten und weil der Meeresspiegel als Reaktion auf das letzte
Gletschermaximum steigt. An diesem Diagramm ist somit nichts seltsam – alles
ist konsistent. Und es zeigt wiederum, dass die Sonne einen großen Einfluss auf
das Klima hat.
Jetzt zu den Kommentaren von Professor Levermann: Sie sagen,
die Wissenschaft sei grundsolide. Zutreffend ist: Wenn wir Stefan Boltzmann einfach
nur ausdifferenzieren, dann ergibt sich als Effekt der CO2-Verdoppelung ein
Temperaturanstieg von 1,2 Grad. Aber dies würde den Wasserdampfgehalt der
Atmosphäre erhöhen, die milder werden würde, was eine viel größere Zunahme
ergeben würde. Aber es gilt da noch einen weiteren Umstand zu berücksichtigen:
Mehr Wasserdampf in der Atmosphäre führt zu mehr Wolken, und all diese
Klimamodelle wissen nicht, wie man mit Wolken richtig umgehen soll. Sie werden
als Rezeptur in die globalen Zirkulationsmodelle eingegeben. Wenn Sie mit
dieser Präzision spielen, können Ihnen die Modelle also grundsätzlich eine
beliebige Klimasensitivität geben. Hierin liegt der Grund, weshalb der IPCC
keine Klimasensitivität geben kann, die besser ist als ein Bereich von 1,5 bis 4,5
Grad.
Auf der anderen Seite gibt es Zeiträume, für die man zeigen
kann, dass große Variationen der CO2Werte zu keinen Temperaturunterschieden
führten. Beispielsweise erwähnten Sie die halbe Milliarde Jahre geologischer
Zeitskalen. Bei den CO2-Werten gibt es Veränderungen um einen Faktor größer als
zehn. Aber man sieht keine damit einhergehenden Temperaturkorrelationen, die
man nutzen könnte, um eine Obergrenze von 1,5 Grad festzulegen. Deshalb meine
ich, dass es grundsolide ist. Es gibt keinen einzigen Beweis dafür, dass große
Veränderungen im CO2-Gehalt zu großen Temperaturveränderungen führen. Wenn Sie
anderer Meinung sind, kann ich gern auf jeden Kommentar eingehen.
Abg. Karsten Hilse (AfD):
Die letzte Frage war, dass Herr Prof. Levermann gesagt hat,
die vorindustrielle Zeit wäre 15 Grad gewesen und im Jahre 2016 hat die NASA,
die WMO und die NOAA 14,8 Grad als die höchste jemals gemessene
Durchschnittstemperatur angegeben. Ich wollte Sie auf den Widerspruch hinweisen
bzw. das Sie kurz darauf eingehen können.
Prof. Nir Shaviv (Hebräische Universität Jerusalem, Racah Institut für Physik):
Es gibt ein Problem damit, wie der Bezugsrahmen zu
definieren ist – bezogen worauf? Und es gibt ein weiteres Problem, das meiner
Meinung nach dem Problem zugrunde liegt, dass die Temperatur in den letzten 20
Jahren fast gar nicht angestiegen ist, oder jedenfalls deutlich weniger als
alle Klimamodelle vorhergesagt haben. Dies ist ein Warnsignal, das uns zu
denken geben sollte. Die Weltgemeinschaft der Klimaforscher versucht zu
verstehen, warum es nicht passt.
Abg. Lorenz Gösta Beutin (DIE LINKE.):
Ich wollte Herrn Prof. Levermann noch einmal kurz fragen.
Und zwar haben wir seit 1960 eine abnehmende Sonnenenergie/Sonneneinstrahlung.
Gleichzeitig haben wir aber trotzdem einen ansteigenden Meeresspiegel
tendenziell und eine ansteigende Temperatur. Das heißt, hier stimmt
offensichtlich etwas nicht. Hier fallen diese beiden Kurven auseinander,
insbesondere seit dem Jahr 2000, und seit 2010 hatten wir diverse weltweite Temperaturrekorde.
Das heißt, an dieser These, die hier geäußert wird von Herrn Prof. Shaviv, muss
irgendetwas falsch sein.
Prof. Dr. Anders Levermann (PIK):
Ja, daran ist wie gesagt, alles falsch und deswegen danke
ich nochmal für die Frage. Ich sage das jetzt nochmal. Ich bin tatsächlich auch
auf diese einzelnen Aspekte nicht eingegangen – weil man sich da in einem
unendlichen Wirrwarr verliert –, die aber alle auf wissenschaftlicher Ebene
geklärt sind und auch sehr intensiv in wissenschaftlichen Publikationen geklärt
sind. Die Sonne spielt eine Rolle für die Temperatur des Planeten. Aber die
Sonnenvariationen – die wir in den letzten 100 Jahren, tatsächlich in den
letzten 10 000 Jahren, seit wir unsere Zivilisation auf dieser Erde aufbauen,
seit dem Holozän –, die wir da gesehen haben, sind so klein, dass wir sie zwar
in unseren Klimamodellen sehen, aber lange, lange überschrieben werden von den
CO2-Signalen, die wir seit etwa 100 Jahren, 150 Jahren in die Atmosphäre
schicken. Daran liegt es eben auch – genau das, was Sie jetzt gerade sagen –,
dass wir keine Korrelation mehr sehen zwischen der Sonnenaktivität, die
herunter geht, und dem Temperaturanstieg, der im Gegensatz zu dem, was hier
immer wieder gesagt wird, tatsächlich da ist. Wir haben auch in der letzten
Zeit einen Temperaturanstieg gesehen. Und das liegt an dieser ganz
fundamentalen Physik, aus der das Ganze erwächst.
Deswegen kann ich auch so fest stehen und sagen: Nicht, ich
habe mal zwei Kurven gesehen, die haben das gezeigt und deswegen möchte ich
jetzt die ganze Weltwirtschaft umdrehen. Nein, es ist wirklich fundamentale
Physik, auf deren Grundlage wir sagen: Wir müssen das machen, damit wir nicht
wirkliche Probleme bekommen. Denn wir sind jetzt bei 1,1 Grad globale Erwärmung
– 2 Grad wollen wir halten nach dem Pariser Klimaabkommen. Das möchte ich nicht
persönlich, sondern das möchte die Staatengemeinschaft. Und wir haben den
ersten Kipppunkt im Klimasystem beobachtet. Das ist die Westantarktis mit einem
Meeresspiegelanstieg, der sich über Jahrhunderte jetzt entfalten wird von
dreieinhalb Metern. Das wird ein wahnsinniges Problem für Tuvalu – das wird
aber auch ein wahnsinniges Problem für Hamburg. Ganz banal – denn in Hamburg
können Sie die Deiche noch 80 cm aufstocken. Das kriegen wir bis zum Ende des
Jahrhunderts mit großer Wahrscheinlichkeit, wenn wir mit dem CO2-Ausstoß so
weitermachen wie bisher und danach geht’s weiter. Nach 2100 geht’s weiter, das
heißt, die Wetterextreme kommen jetzt noch hinzu. Von denen werden wir in
gewissem Sinne als Gesellschaft ständig wieder überrascht. Wir sind gerade in
der längsten Dürre in Deutschland, die es seit den Aufzeichnungen gibt – seit
140 Jahren. Diese Wetterextreme können wir nicht im Einzelfall auf den
Klimawandel zurückführen – wissen aber, dass dadurch, dass wir mehr CO2 in die
Atmosphäre geben, kriegen wir mehr Wasserdampf in die Atmosphäre und deswegen
erhöhen wir den Energiegehalt der Atmosphäre. Und das passiert in verschiedenen
Arten und Weisen – und das führt dazu, dass wir eine Verschiebung bekommen. Der
Fakt, dass wir das in Einzelfällen nicht auf dem Klimawandel zurückführen
können, soll nicht davon ablenken, dass wir mittlerweile physikalisch
verstehen, warum z. B. das Mäandern des Jetstreams, was uns diese extremen
Wetterschwankungen in Nordeuropa, in Nordamerika bringt, dass das
wahrscheinlich unter Klimawandel stärker wird.
Menschen verlassen ihre Heimat aus unterschiedlichsten Gründen: Krieg, Verfolgung, Naturkatastrophen oder auch aufgrund des Wunsches nach einem besseren Leben. Das Versprechen eines besseren Lebens wird oft mit den Kontinenten Europa und Nordamerika verbunden. Gemäss einem Bericht der «Welt» vom März dieses Jahres hat die zweite Phase der Migration längst begonnen. [1]„Wir tun alles, um ins Paradies zu kommen“, sagen werdende Mütter, junge Paare und Unverheiratete, die ihre Heimat Kamerun, Nigeria, den Senegal oder Ghana verlassen haben. In Marokko sind es etwa 50.000 und in Libyen über 400.000, die auf den Sprung übers Mittelmeer in ein besseres Leben warten.
Laut Angaben von Eurostat, der Statistikagentur der EU, beantragten zwischen 2014 und 2017 beinahe eine Million Bewohner der Länder südlich der Sahara Asyl in Europa. In Berlin, Rom, Paris und London mag sich das Augenmerk der Öffentlichkeit derzeit auf muslimische Einwanderer richten. Jedoch stehen Afrikaner in den Migrationsstatistiken wieder an vorderster Stelle. Und das wird auch in den nächsten Jahren noch so bleiben, wie eine aktuelle Studie des renommierten amerikanischen PEW-Instituts zeigt. Sie hat in fünf der zehn subsaharischen Ländern nachgefragt, aus denen die meisten der afrikanischen Migranten in Europa stammen. Während zwischen 50 bis 75 % am liebsten bevorzugt in die USA oder nach Europa auswandern würden, hat ein Teil von ihnen auch schon ganz konkret den Plan gefasst: Rund 40 Prozent im Senegal, in Ghana und Nigeria wollen in den nächsten fünf Jahren weg. In Südafrika und Kenia sind es um die 20 Prozent und im Fall von Tansania bislang nur acht Prozent, die ihr Glück schon bald im Ausland versuchen wollen.
Auf den ersten Blick mag das wenig signifikant klingen. Aber in den subsaharischen Ländern leben insgesamt 1,1 Milliarden Menschen. Nimmt man an, dass sich nur zehn Prozent zur Migration nach Europa entschließen, dann wären das immer noch 110 Millionen Menschen. Und die Bevölkerung wächst dort bei Geburtsraten von bis zu sieben Kindern, rasend schnell.
Die vorliegenden Zahlen zeigen eindrücklich, dass die Menge an migrationswilligen Menschen in Afrika sehr hoch ist. Misswirtschaft und politische Verantwortungslosigkeit in den Herkunftsländern spielen dabei eine massgebliche Rolle. Das Bruttoinland-Produkt (BIP) pro Kopf betrug in den Jahren 1980 bzw. 2016 in Doller für Kamerum 1‘323 / 1‘495, Nigeria 1‘957 / 2‘456, Senegal 886 / 1‘092, Ghana 908 / 1‘708, Niger 514 / 391. Im Vergleich dazu die Schweiz: 54‘891 / 76‘694.
Der Druck zur Flucht ist also real und bleibt bestehen. Allerdings ist ein solcher Plan auch teuer. Je nach Ausgangsort, gewählter Route und Transportmitteln ist eine solche Flucht im günstigsten Fall ab CHF 8’000, meist aber ab CHF 15’000 bist weit über 20’000 zu haben – pro Person(!) bei ungewissem Erfolg….. Nicht selten kommt es vor, dass Migranten das «Ticket» in den goldenen Westen gleich mehrere Male bezahlen müssen. Die stark im Fluchtbusiness involvierte Mafia und Hasardeure ziehen die verzweifelten Menschen gerne über den Tisch, denn Konsequenzen hat dies kaum einmal.
Dieser «Sprung ins Paradies» führt wie angeführt oft übers Mittelmeer. Die tödlichste Fluchtroute der Welt[2]. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) teilte Anfang Juni in Genf mit, dass [3]die Flucht über das Mittelmeer nach Europa für Migranten immer gefährlicher werde. Zwar sei die Zahl der Fliehenden in diesem Jahr deutlich gesunken – allerdings steige das Risiko für die Flüchtlinge, bei der Überfahrt auf dem Meer zu sterben.
Statistisch gesehen sei im ersten Halbjahr 2017 einer von 38 Flüchtlingen auf der zentralen Mittelmeerroute ums Leben gekommen, sagte UNHCR-Sprecher Charlie Yaxley. In der ersten Hälfte des laufenden Jahres sei es bereits einer von 17 gewesen – und allein im Monat Juni einer von sieben. Seit Jahresbeginn starben nach UN-Angaben mehr als 1400 Flüchtlinge bei der Fahrt übers Mittelmeer – die meisten von ihnen auf der besonders gefährlichen zentralen Mittelmeerroute von Nordafrika nach Italien oder Malta. In diesen beiden Ländern kamen in der ersten Jahreshälfte 17.000 Migranten an. Im Vorjahreszeitraum waren es noch über 85.000.
Wie eine solche Flucht aussehen kann, zeigt folgender von der Uno veröffentlichter Erfahrungsbericht der jungen Frau Doaa aus Syrien, welche zusammen mit ihrem Freund Bassem via Nordafrika nach Europa gelangen wollte:
[4]Gemeinsam wurden sie von den Schleppern in ein überfülltes Fischerboot gezwängt. Doch nach drei Tagen auf See glaubte Doaa nicht mehr an eine sichere Ankunft und sagte zu Bassem: „Wir werden alle ertrinken“. Am vierten Tag kam ein verrostetes Boot auf sie zu. Die Passagiere weigerten sich in das seeuntaugliche Boot zu wechseln, woraufhin die wütenden Schmuggler ein Loch in das Fischerboot rammten und lachten.
Innerhalb von Minuten kenterte und sank das Boot. Die 300 Menschen, die unter Deck gefangen waren, hatten keine Chance zu überleben.
„Ich hörte wie Menschen schrien und sah wie ein Kind vom Propeller in Stücke zerrissen wurde“, erinnert sich Doaa. Um sie herum schwammen hunderte Leichen. Die Überlebenden kamen in Gruppen zusammen und beteten. Bassem fand einen Rettungsring für Doaa, die nicht schwimmen kann.
In der folgenden Nacht verloren viele Überlebenden die Kräfte und den Mut. Doaa musste zugucken, wie Männer ihre Rettungswesten abnahmen und ertranken. Einer von ihnen übergab Doaa kurz vor seinem Tod seine 9 Monate alte Enkelin Melek.
Auch Bassem verließen kurz darauf die Kräfte und Doaa musste mit ansehen wie er starb. Trotz unvorstellbarer Trauer nahm sie an diesem Tag ein weiteres Kind auf. Die Mutter der 18 Monate alten Masa gab ihr das Mädchen mit der Gewissheit, dass sie selbst nicht überleben würde.
Doaa war nun für zwei völlig erschöpfte Kinder verantwortlich, sie weinten, hatten Hunger und Durst. Sie sang für die Mädchen und erzählte ihnen Geschichten, ein langer Tag verging, dann ein weiterer. Am vierten Tag im Meer sah Doaa ein Handelsschiff. Zwei Stunden schrie sie um Hilfe, bis die Suchscheinwerfer des Schiffes sie fanden. Melek starb noch an Bord des Schiffes. Doch die kleine Masa hat überlebt.
Solche Tragödien wiederholen sich fast täglich in der einen oder anderen Form auf der tödlichsten Fluchtroute der Welt. Die Bilder erreichen uns fast zu Echtzeit in den heimischen Stuben. Eher selten aber die Frage nach Lösungen und der Abwehr des Milliardengeschäfts. Doch es gibt Lösungen – Australien lebt es vor. Australien hat bereits vor mehreren Jahren die Fluchtroute übers Meer von Indonesien her rigoros unterbunden. Wenn es um Flüchtlinge geht, sind sich in vielen Ländern Regierung und Opposition zumeist nicht einig. Doch in Australien unterstützen sowohl die liberal-nationale Koalition als auch die Labor-Partei, die stärkste oppositionelle Kraft, strengere Asylrichtlinien. Der Weg, den die Flüchtlinge bestreiten, sei gefährlich, von Schleppern kontrolliert und die Politik habe die Verantwortung, das zu beenden. So lautet der Konsens. Und tatsächlich, seit Flüchtlingsboote von Schiffen der australischen Marine systematisch abgefangen und zurückgeschickt werden, tendiert die Zahl der Todesfälle auf hoher See gegen Null.
Ein klares, und konsequent durchgesetztes „Nein“ zur Migration über das Meer rettet also Leben. Somit wäre zu erwarten, dass auch in Europa sich Menschen jeglicher politischer Couleur der positiven Erfahrung Australiens anschliessen und gemeinsam alles unternehmen, um die Fluchtroute über das gefährliche Mittelmeer zu unterbinden. Doch weit gefehlt. Speziell Aktivisten aus dem linken Lager plädieren für alle mögliche Massnahmen, welche das Gegenteil bewirken: nämlich die Attraktivierung dieser an sich gefährlichen Route. So verlocken die vor der Küste kreuzenden EU-Schiffe mehr zur Migration als dass sie diese verhindern. Kommt dazu, dass genau deswegen Fluchtboote eingesetzt werden, welche für eine Meeresüberfahrt vollkommen untauglich sind mit der kalkulierten „Hoffnung“, eines der unzähligen Hilfsschiffe würde schon zur Stelle sein, um die Passagiere gratis und franko zu übernehmen. Dieselbe Wirkung haben die von überall in Europa laut werdenden Rufen, die „Bootsflüchtlinge“ der Moderne mit offenen Armen willkommen zu heissen. Als Schlepper muss man zu den Migranten nur sagen: Fahrt ein paar dutzend km auf See, dort werdet ihr schon aufgenommen und nach Europa gebracht – vielleicht, sofern ihr nicht vorher ertrinkt….
Was ist also zu halten von den politischen Programmen, welche die Türen in Europa weit öffnen wollen? Sie verstärken die Sogwirkung und bewirken damit den Tod von Tausenden. Die viel kritisierten ökonomischen Realitäten in den Ursprungsländern verändern sich damit ebenfalls nicht – im Gegenteil, die Situation dort wird dadurch sogar noch verschärft. Wie kommt es denn zu solchen politischen, eigentlich menschenverachtenden ja todbringenden Forderungen? Unwissenheit, Naivität?
Nicht zu wissen, was sich im und ums Mittelmeer abspielt, dürfte wohl kaum jemand für sich in Anspruch nehmen können. Zweifellos haben aber viele wohlmeinende und um Gerechtigkeit besorgte Menschen, die für eine Politik der offenen Türen einstehen, das Gute vor Augen, den Wunsch nach humanitären Lösungen. Doch muss man angesichts der überwältigenden Tatsachen nicht auch von einer gehörigen Portion Naivität ausgehen? Gutes wollen und das Schlechte bewirken als politische Programm?
Nun, Unbeschwertheit und der Drang, alles zu wissen und das absolut ist sicherlich ein Privileg junger Menschen. Da werden beispielsweise alle Migranten entweder quasi in den Heiligenstand erhoben oder als das Gegenteil desselben betrachtet. Es gehört zum menschlichen Reifungsprozess, mit absoluten Forderungen und Aussagen, die sich dabei aufdrängenden Fragen auf die Seite zu schieben, denn nur allzu oft stehen sie einem idealisierenden Denken im Wege. Mir ging das nicht anders. Ohne Wenn und Aber war ich der Auffassung, dass die Schweiz als reiches Land sicherer Hafen sein müsse für die Not der gesamten Welt. Die Erkenntnis, dass dies rein schon aus arithmetischer Sicht ein hoffnungsloses, ja verantwortungsloses Unterfangen sei, war mir zwar (zunehmend) bewusst, aber ich schob es lieber auf die Seite, weil mir alternative Antworten entweder nicht passten oder schlichtweg fehlten.
Doch nicht nur junge, idealistische Weltverbesserer werfen mit Pauschalrezepten um sich. Mit Erstaunen kann festgestellt werden, dass eine Politik, welche in ihrer Konsequenz tausende von Menschen in den Tod treibt, bei vielen auch gestanderen Menschen hoch im Kurs ist bis hin zu Politikern auf dem nationalen/internationalen Parkett.
Bei nicht wenigen spielt dabei weder Unwissenheit noch Naivität noch der Wunsch zu echten humanitären Lösungen eine treibende Rolle. Ihnen geht es nur Vordergründig um das Wohl der Migranten. Dahinter liegen kaum kaschiert in Wahrheit knallharte politische Ziele. Es geht um die alte marxistische Maxime, wonach vereinfacht gesagt das Aufbrechen und die Zerstörung unserer kulturellen Werte nötig ist, um den Boden für das Neue (gemeint das sozialistische Paradies) zuzubereiten. Da kommen die geförderte Migration, die Vermischung von Kulturen, das Abbauen von Bekanntem und Liebem und dadurch entstehende soziale Unruhen und Desintegration wie gewünscht. Da ist es Ziel, wenn immer mehr Geld mit meist wenig Wirkung in soziale Programme abgezweigt und damit die Volkswirtschaften geschwächt werden. Da sind Migranten nicht Menschen, für deren Lebensperspektive gesorgt und überlegt werden muss, sondern sie sind nützliche Manipuliermasse für etwas ganz Anderes. Und wenn bei der Verfolgung solcher Ziele Menschen dabei ihr Leben lassen müssen, so wird dies zwar bedauert, muss aber in Kauf genommen werden.
Wie wichtig ist das Leben von Migranten? Für einige eher weniger…..
Die Thematik beschäftigt immer wieder. Welche Zuwanderung ist hilfreich, welche Menschen werden sich in unserer Kultur zurecht finden und können sich einigermassen leicht integrieren? Die Frage stellt sich also:
Brauchen wir eine Zuwanderung, der Fachkräfte wegen oder des Arbeitsmarktes wegen?
„Nein, Zuwanderung aus fremden Zivilisationen schafft mehr Probleme als es uns auf dem Arbeitsmarkt an positiven Faktoren bringen kann. Zuwanderung aus verwandten Zivilisationen, zum Beispiel aus Polen: ist problemlos; zum Beispiel aus Tschechien: ist problemlos; zum Beispiel aus Österreich: ist problemlos; aus Italien – ist problemlos. Es fängt an bei etwas östlicheren Gegenden. Zum Beispiel Zuwanderung aus Anatolien ist nicht ganz problemlos. Zuwanderung aus Afghanistan bringt erhebliche Probleme mit sich. Zuwanderung aus Kasachstan bringt Probleme mit sich. Es sind andere Zivilisationen. Nicht wegen ihrer anderen Gene, nicht wegen ihrer anderen Abstammung. Aber wegen der Art und Weise, wie sie als Säugling, wie sie als Kleinkind, wie sie als Schulkind, wie sie als Kind in der Familie erzogen werden.“
Der Kanton Bern will den Grundbedarf in der Sozialhilfe senken und gleichzeitig stärkere Anreize setzen für Sozialhilfebeziehende, welche sich aktiv darum tun, ihre Chancen zur wirtschaftlichen Integration zu verbessern. Dies hat das Bieler Tagblatt veranlasst, darüber zu berichten:
Deborah Balmer
Zu Beginn des Jahres hatte SVP-Regierungsrat Pierre Alain Schnegg, Vorsteher der Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF), mit seinen angekündigten Sparmassnahmen in der Sozialhilfe heftige Reaktionen ausgelöst. 15 bis 25 Millionen Franken will der Kanton Bern jährlich bei der Sozialhilfe sparen. Dafür soll der Grundbedarf bei den Sozialhilfebezügern zehn Prozent unter die Höhe der Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) gesenkt werden. In der Stadt Bern liess die Direktion für Bildung, Soziales und Sport verlauten, diese Sparmassnahmen seien eine «sozialpolitische Schande», wie der «Bund» schreibt.
Doch wie kommen die geplanten Kürzungen in der Stadt Biel an, die 11,6 Prozent Sozialhilfebezüger zählt?
Feurers Kurve
Sozialdirektor Beat Feurer (SVP) zeichnet eine Kurve auf ein Blatt. Sie zeigt folgendes: Der Sprung von der Arbeitslosigkeit ins Erwerbsleben findet am häufigsten zu Beginn und kurz vor dem Eintritt in die Sozialhilfe statt. Für Feurer ist diese Ablösequote ein Indiz dafür, dass die Angst davor, in die Sozialhilfe zu geraten, bei den Arbeitslosen einen Motivationsschub auslöst. «Hier helfen sicher die Angst vor dem sozialen Abstieg, aber auch Sorgen vor finanziellen Einschränkungen», sagt Feurer. Ein höherer Druck könne durchaus sinnvoll sein. «Es muss wohl etwas wehtun.» Die geplanten Kürzungen in der Sozialhilfe begrüsst er also. «Allerdings würde ich sie nicht gleich von Beginn weg vollziehen, sondern bei Sozialhilfebezügern, die schon eine längere Zeit Leistungen beziehen.»
Die Revision des kantonalen Sozialhilfegesetzes sieht nicht nur Kürzungen vor. Gleichzeitig sollen die Anreize für Zulagen steigen. Wer an einem Integrationsprogramm teilnimmt, soll künftig monatlich zwischen 100 und 300 Franken erhalten. Bisher gab es dafür maximal 100 Franken. Wer sich also integrationswillig zeigt, wird nicht weniger Geld erhalten als zuvor. Wer arbeitet, konnte bisher 400 Franken verdienen, ohne dass ihm die Sozialhilfe gekürzt wurde. Neu sollen es 700 Franken sein. «Die Kombination von Reduktion und Anreizen überzeugt micht. Es ist wichtig, dass man Bezüger belohnt, die etwas leisten», ergänzt Feurer. Einige Bezüger müssten noch höhere Kürzungen hinnehmen (siehe Infobox). Zwischen 18- und 25-Jährige, die keine Ausbildung absolvieren und nicht arbeiten, sollen neu mit einer Reduktion des Grundbedarfs um 30 Prozent rechnen müssen. Fast zehn Prozent aller Sozialhilfebezüger in der Stadt Biel gehören in diese Alterskategorie. Im Vergleich dazu sind es in der Stadt Bern nur 5,5 Prozent. «Besonders bei Jugendlichen ist die Motivation, aus der Sozialhilfe zu kommen oder gar nicht erst hineinzugeraten, besonders stark an finanzielle Aspekte gekoppelt», sagt Feurer. «Wir haben deshalb ein besonderes Interesse daran, hier die Hürden möglichst hochzuhalten.» In keinem Fall dürfe es zum Beispiel sein, dass ein Jugendlicher sagt: «Ich gehe lieber aufs Sozialamt, als weiterhin bei den Eltern zu leben.»
Feurer begrüsst auch die Absicht des Regierungsrats, dass neu mangelnde Sprachkenntnisse in Deutsch oder Französisch einen Einfluss auf den Grundbedarf haben können. «Wer keine Landessprache beherrscht, der kann sich im Arbeitsmarkt gar nicht integrieren. Wenn sich also jemand nicht bemüht, eine Sprache zu lernen, soll das sanktioniert werden.»
Derzeit steht einem Sozialhilfebezüger in einem Einpersonenhaushalt in der Stadt Biel ein monatlicher Grundbedarf von 977 Franken zur Verfügung. Der Betrag liegt bereits leicht unter den Skos-Richtlinien, die 986 Franken festhalten. Nach den Kürzungen sollen es noch 887 Franken sein.
«Das treibt in die Armut»
Während Feurer daran glaubt, dass sich die Soziahilfequote damit senken lässt, sieht das die SP der Stadt Biel anders: «Schon heute erhalten Sozialhilfebezüger einen sehr knappen Grundbedarf», sagt SP-Stadträtin Anna Tanner, Sozialarbeiterin und Vize-Präsidentin der SP Biel. «Die Kürzung ist nicht verantwortbar. Sie treibt die Leute höchstens in die Armut. Schlimmstenfalls in die Illegalität.» Sie betont, dass durch den Druck nicht mehr Arbeitsstellen entstehen. In Biel müssten schon heute einige Bezüger einen Teil des Grundbedarfs für die Miete verwenden. Dies, seit die Mietzinslimite gesenkt worden sei
Welches sind die Ursachen der hohen Sozialhilfequote und was hat die Stadt Biel im Rahmen der bekannten Ecoplan-Studie für Massnahmen beschlossen? Ein Artikel in der Schweizer Sozialversicherung gibt übersichtlich dazu Auskunft.
Kolumne von Patrick Furrer, journalistischer Mitarbeiter des Bieler Tagblatts
Sozialdirektor Beat Feurer ist ein SVP-Politiker und gerät genau deshalb auf die Abschussliste. Im Gemeinderat, beim Sozialamt und beim Personalverband dominiert schliesslich linkes Gedankengut. Also verbündet man sich, um den Bock, den man zum Gärtner gemacht hat, mit einer Administrativuntersuchung abzuschiessen. So jedenfalls lautete diese Woche das Fazit der «Weltwoche». Auch andere Medien sprangen auf den Zug auf, der seit zweieinhalb Wochen ungebremst durch das Bieler Sozialamt rast. Es gehe um politische Scharmützel. Keinesfalls darum, dass Feurer seit Amtsantritt bei mehreren Geschäften keine überzeugende Figur gemacht hat.
Sicher. Feurer hat im Gemeinderat keinen einfachen Stand. Er müsste sich über diese plötzliche Unterstützung also eigentlich freuen. Stattdessen verschickte er am Mittwoch eine Stellungnahme, die auf den ersten Blick diametral in eine andere Richtung geht: Durch die Medienberichte sei der Eindruck erweckt worden, dass der Gesamtgemeinderat ihn unzureichend unterstützen, ja möglicherweise sogar in seiner Arbeit behindern und blockieren würde. Dabei wolle er doch auch in Zukunft «in transparenter und sachlicher Weise» mit den Kollegen zusammenarbeiten.
Was hat dieser vermeintliche Wandel zu bedeuten? Lässt sich Feurer von den Exekutivkollegen – allen voran SP-Stadtpräsident Erich Fehr – auf der Nase rumtanzen? Setzen sie ihn derart unter Druck, damit er sich am Ende noch selber schadet? Schon wieder politische Scharmützel?
Bleiben wir bei den Tatsachen. Die Realität lässt sich nicht auf einige wenige Fragen oder Vermutungen beschränken. Dass Feurer eine Stellungnahme für angebracht hielt, darf nicht überraschen. In der Exekutive gilt das Kollegialitätsprinzip. Würde er sich nicht daran halten, könnte er genauso gut den Rücktritt erklären. Das wäre viel unmittelbarer und riskanter, als eine Untersuchung abzuwarten, über deren Resultate noch nicht das Geringste bekannt ist. Konkrete Vorwürfe gibt es nicht, erst recht keine bewiesenen. Natürlich reizt es den angeschossenen Sozialdirektor, mehr zu sagen. Dass er es aber nicht tut, ist kein Zeichen von Schwäche. Das wäre es erst, wenn er mit konkreten Vorwürfen konfrontiert würde, die er nicht mehr auf sich sitzen lassen könnte.
Zur komplexen Realität gehört auch, dass Sozialamtchefin Beatrice Reusser tatsächlich ihre Probleme mit dem neuen Chef hat – und sich vor allem nicht scheut, diese zu äussern. So lange, bis Feurer der Kragen platzt und er sich von ihr trennen will. Doch bevor der Gesamtgemeinderat über die Kündigung entscheiden kann, kommen die Vorwürfe gegen Feurer und Sekretär Patrick Nyfeler auf, und das Geschäft wird zurückgestellt. Reusser kann bleiben. Nyfeler muss um seinen Job bangen und Feurer um seinen Gehilfen, der manche Schwäche ausgleicht, aber auch eigene Schwächen mitbringt. Es wäre sicher naiv, anzunehmen, dass politische Couleurs in der ganzen Diskussion keine Rolle spielen. Die entscheidende dürfte es nicht sein.
Die Sozialhilfequote von Biel ist im letzten Jahr erneut von 11,4 auf 11,7 Prozent gestiegen. Das ist das Einzige, was seit dieser Woche wirklich gewiss ist.
X-pressing matters (= Anliegen ausdrücken) ist eine Initiative von Jugendlichen, die zuvor schon über mehrere Jahre die bestens bekannten X-days durchgeführt haben.
x-pressing matters findet dieses Jahr vom 8. bis 9. August statt. Soeben habe ich eine Anfrage erhalten, diesen Anlass auf dem Walserplatz in Biel mit einer kurzen Ansprache zu eröffnen. Mit grosser Begeisterung habe ich zugesagt. Die Initiantinnen und Initianten schreiben in ihrer Borschüre: „Dieses Jahr orientieren wir uns an den Themen Menschenhandel, Foodwaste und Konsumverhalten“.
Konkret ist neben anderen Aktivitäten auch die Durchführung eines Freiheitslaufs vorgesehen und mit dem so „generierten Geld Organisationen zu unterstützen, die sich gegen Menschenhandel engagieren und Präventionsarbeit leisten“. Mit Originalität und Eigeninitiative wird hier ein Beitrag geleistet, der darauf verzichtet, den vielerorts schon fast automatischen Reflex zu bedienen, die öffentliche Hand habe die Lösung für alle dringenden Probleme dieser Welt zu bieten.
Dass Menschenhandel aber tatsächlich ein dringendes Problem ist, welches auch die Stadt Biel betrifft, dürfte nicht von der Hand zu weisen sein. Jährlich sind davon Schätzungen zufolge weltweit um 600’000 bis 2.4 Millionen Menschen betroffen. Ein Thema, das uns alle angeht und das sich nur verändern lässt, wenn wir alle hinschauen.
Im heutigen Bieler Tagblatt http://www.bielertagblatt.ch/nachrichten/biel/schuften-%07statt-schmarotzen#0 erschien ein Artikel über die Testarbeitsplätze = TAP. Die TAP waren bisher ein wertvolles Instrument um im Zweifelsfall feststellen zu können, ob Sozialhilfebeziehende überhaupt bereit sind, zu arbeiten und welche grundsätzlichen Fähigkeiten sie mit bringen.
Zuerst hat der Kanton diese Möglichkeit ab 1. Juli 2014 ganz gestrichen. Doch nun konnte eine Lösung gefunden werden. Statt bisher 11 Plätze können wir 5 Plätze weiterhin betreiben. Das Konzept und die Finanzierung wurde leicht angepasst. Doch reichen 5 Plätze bei mehreren tausend Sozialhilfebeziehenden? Zugegeben: das ist nicht viel, aber immer noch besser als nichts: Es gilt dabei nicht zu vergessen, dass wir in Biel und Region zusätzlich zu den TAP ja auch noch einen ganzen Blumenstrauss an kantonal finanzierten Plätzen zur Förderung der Beruflichen und sozialen Integration (BIAS) = sogenannte Beschäftigungsprogramme sowie eine Sozialfirma haben.
Meine Vision geht in die Richtung, dass bei allen Neuanmeldungen in die Sozialhilfe geprüft wird, ob eine Direktzuweisung in ein Programm (TAP/BIAS etc.) möglich ist und möglichst sofort eine solche erfolgt.